Heinz Nußbaumer

Zum Geleit

 

Jahre–, ja jahrzehntelang ist Reinhold Zwerger bedrängt worden, sein

ATHOS–Buch zu schreiben. Aus gutem Grund: Wohl kein anderer Pilger/Besucher – zumindest aus dem deutschsprachigen Raum – kennt den Heiligen Berg der Orthodoxie so genau wie er: Seine Klöster und Landschaften, seine Menschen und Schicksale, seinen hohen religiösen Anspruch und seine menschlichen Begrenzungen.

 

Nahezu 50 Jahre lang war der Maler, Graphiker und Kartograph am Athos unterwegs. Immer wieder neu von diesem unvergleichlichen Stück Kulturboden angezogen– und immer bereit, auch selbst zu "kultivieren": künstlerisch und auch ganz handfest als Gärtner im "Garten der Muttergottes" um die alten Klosterpfade und Pilgerwege neu zu entdecken und dem Vergessen zu entreißen. Seine Linolschnitte schmücken zahllose Klosterräume und seine Athos–Karten vielfach aktualisiert und verfeinert, haben Generationen von Pilgern über den Hl. Berg begleitet.

 

Was er im Lauf so vieler Jahre mit seiner unnachahmlich schönen Handschrift aufgezeichnet und nun in Buchform vorgelegt hat ist mit Sicherheit außergewöhnlich – in mehrfachem Sinn: Außergewöhnlich in seiner präzisen Detailkenntnis und unprätentiösen Erzählform. Außergewöhnlich auch in der über so viele Jahrzehnte hinwegreichenden persönlichen Erfahrung, die das Wechselspiel von athonitischer Kontinuität und unvermeidlichem – auch dramatischem – Wandel deutlich spürbar macht. Und außergewöhnlich in der Festigkeit seiner persönlichen Urteile, die auch von seiner Faszination für die Welt des Athos nicht überdeckt wird.

 

Gerade darin liegt sicher auch eine – bisweilen herausfordernde – Besonderheit dieses Buches: Reinhold Zwerger verlockt seine Leser – und die meisten werden wohl selbst irgendwann den Hl. Berg besucht haben –, ihre jeweils eigenen Erlebnisse und Erfahrungen mit seinen Bewertungen (etwa über die Orthodoxie) zu vergleichen; ihm hier zuzustimmen, dort vielleicht eigene, andere, stets subjektive Erkenntnisse und Einsichten dagegen zu halten.

 

Mit Sicherheit ist sein Buch keine Wiederkehr des immer Gleichen, das so viele Athos–Bücher zum Verwechseln ähnlich macht. Es ist nicht das Erwartbare – und belegt damit eindrucksvoll, dass wir Menschen vor allem das sehen, was wir auch sehen wollen.

 

Das vielleicht überraschendste an diesem Buch aber ist die Entschlossenheit des Autors, sich jeder Beschreibung der Innenseite seiner Begegnung mit dem Athos zu entziehen. Glaube und Spiritualität – diesen uralten Anspruch der Athosmönche, ein einzigartiger Ort der Gottsuche und Gottesbegegnung zu
sein – klammert Zwerger mit radikaler Konsequenz aus. Er tritt nicht in Konkurrenz mit "Erbauungsbüchern", die auch und gerade im Umfeld des geistigen Zentrums der Orthodoxie wuchern. Und ebenso erlaubt er sich keinen Hinweis auf sein eigenes religiöses Erleben in den ungezählten durchwachten Nächten athonitischer Klosterkirchen und Einsiedeleien.

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Die einzige, ganz zarte Annäherung an dieses Thema überlässt der Autor dem verstorbenen Abt, Protos und Freund Mitrophan (Chilandar), der ihn bei einer Ausstellungseröffnung in Deutschland einmal als "einen, der täglich mit seinem Geist am Athos wohnt" bezeichnete; Auf seinen nahezu unzähligen Athosreisen habe Zwerger "die Vermehrung seiner Inspiration" gesucht und "den Weg zu sich selbst gefunden", meinte Mitrophan damals. Reinhold Zwerger bete "auf künstlerische Art und Weise" für die ganze Gotteswelt und ihre Genesung.

 

Die künftigen Leser dieses Buches werden das eine oder andere der "klassischen" Athos-Bücher kennen: Köstner und Fallerayer, Köppen und Feigl, Billetta, Derwall, Grassi, Capuani u.a. Dass man über den so oft (zu oft?) – kundig oder unkundig – beschriebenen Heiligen Berg der Orthodoxie noch ein ganz anderes, erfahrungsreiches Buch schreiben kann, das hat Reinhold Zwerger mit diesem Dokument einer großen prägenden Lebenserfahrung bewiesen.