Schabblätter

 

Gouachen

 

Linoldrucke in Schwarz/Weiss

 
Linoldrucke in Farbe
 

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Angelica Bäumer

Nähe und Ferne in den Bildern von Reinhold Zwerger

 

Bäume, Felsen, Meer und Himmel – das sind die Themen der Malerei von Reinhold Zwerger. Die Landschaften sind archaisch, ohne Menschen, ohne Geschichte. Auch wenn Terrassen erkennbar sind, so ist es nicht sicher ob sie durch Erosion in Jahrtausenden entstanden, ob sie von Menschen geschaffen und bewirtschaftet wurden, oder Trampelpfade von wandernden und grasenden Tieren sind. Stille und Einsamkeit sind Merkmale der Bilder. Aber durch den höchst individuellen Blick des Malers entstand ein Kosmos, der sich jeglicher zeitlichen Zuordnung entzieht. Die Bilder können jahrhundertealt sein oder völlig neu, sie sind zeitlos und vielleicht gerade deshalb faszinieren sie den Betrachter, der sich nicht auf Kunstgeschichte oder Analyse einlassen muss, sondern sich ganz seinem eigenen Empfinden hingeben kann. Die Felsen und Schluchten erscheinen, als wären sie weniger Abbild der Realität, als Zeichen der Verwandlung. Aus ruhiger Beobachtung und tiefer Erkenntnis entsteht Kunst. Vertraut sind die Landschaften und doch auch distanziert, sie entziehen sich jeder Intimität, bleiben bei sich und sind geheimnisvoll im Formalen wie in ihrer Farbigkeit, die kraftvoll und ausgewogen ist. Die Farben spiegeln das Licht wider auf den Felsen und in den Schluchten. Aber doch sind sie nicht strahlend, sondern eher verhalten, als läge auf allem ein leichter Nebel oder Rauch, der die Farbe dämpft.

 

Reinhold Zwerger war Grafiker, hatte einen Brotberuf, aber schliesslich wurde die Sehnsucht nach der Malerei zu gross und in der Weite der kargen, menschenleeren und wildbewegten Landschaft in Süditalien konnte er sich ganz dieser Sehnsucht hingeben. Ohne Druck und ohne dem Anspruch der Kunstszene oder gar dem Kunstmarkt zu dienen, wurde das Malen sein ureigenstes Bemühen und seine Entscheidung, sich zwanglos und völlig frei dem Bild hinzugeben..

 

Wenn auch seine frühen Blätter in der klassischen Schabtechnik geschaffen wurden – die sich thematisch weitgehend den Klöstern vom Berg Athos widmen, in strengem Schwarz-Weiss gehalten sind, und zu den eindrucksvollsten Zeugnissen dieser Technik im 20. Jahrhundert gehören, so gab sich Zwerger in seinen Gouachen ganz der Farbe hin. Mit überzeugender Schlichtheit, gleicherweise so einfach wie raffiniert angelegt, mit der beobachtenden Konzentration und der malerischen Betonung von Licht und Schatten, geben die Bilder der Landschaft Klarheit und Tiefe.

 

Nie hat sich Reinhold Zwerger allerdings von der grafischen Kunst ganz entfernt. Nach den schwarz-weißen Schabblättern der 1970er Jahre, schuf er zunächst Linolschnitte, ebenfalls in schwarz-weiß, zwischen 1977 und 2000 kamen dann aufwendig gedruckte Farblinolschnitte hinzu, die so etwas wie grafische übersetzungen seiner gemalten Landschaften sind. Allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: waren die Gouachen (bis ca. 1980) immer vor der Natur gemalt, so entstanden die Linolschnitte ausschließlich im Atelier in konzentrierter, nicht so sehr beobachtender als gedanklicher Arbeit.

 

Vorbilder, so meint man, gibt es keine, weder aus der Kunstgeschichte, noch von einer Künstlerpersönlichkeit, und wenn überhaupt dann eher im Technischen als im Inhaltlichen. Er schloss sich auch keinem besonderen Stil an, er fand und erfand seine eigene künstlerische Aussage. In der Bedeutung des Details erinnert Zwergers Malerei ein wenig an den Jugendstil mit seinen floralen Motiven, der in der Komposition Hintergrund und Vordergrund die gleiche Bedeutung beimisst, der dem ganz eigenen Rhythmus der Natur nachspürt und die Realität ins Symbolische überhöht. Reinhold Zwerger gelingt diese

spannende Übung in seinen Bildern ebenfalls, allerdings ohne dass in seiner Malerei das Symbolistische eine Rolle spielt. Ihm geht es um die Landschaft die unmittelbar vor ihm liegt, indem er den Blick vom Vordergrund in die Weite richtet, wo die Hügel sich im Dunst verlieren und wo gelegentlich die Dramatik der Natur in wilden Felsformationen ausbricht, als würden selbst die Felsen vom winterlichen Sturm gepeitscht. Den Rhythmus, die Gliederung seiner Landschaften, sowie deren Spannung schafft Zwerger mit den geduldig eingekreisten Flächen, die der Formation der Hügel und Felder folgen, die durchaus dekorativ sind, dabei aber die ganz eigene Struktur des südlichen Italien einfangen und die flirrende Luft eines heissen Sommertages
spüren lassen.

 

Es sind sehr persönliche Bilder, kaum jemals gezeigt in nur wenigen Ausstellungen, aber sie vermitteln eine Landschaftsmalerei der besten Tradition. Es ist ein wenig unmodern geworden mit der Staffelei in die Natur zu gehen und zu malen was vor einem liegt. Dabei fing gerade damit die moderne Kunst an, als die Maler aus den stickigen Ateliers hinauszogen nach Barbizon in die Wälder von Fontainebleau und auf die Felder rund um Paris, als die Impression wichtiger wurde als der klassische Faltenwurf, als sie das Licht dort fanden, wo es entstand.

 

Reinhold Zwerger hat diese Tradition aufgenommen, hundert Jahre später. Auch er nahm seine Mappe mit den grundierten Kartons, seine Stifte und Farben, ging in die Natur und stieg auf die Höhen, wo alles einsam war und still. Der Blick ging in die Weite der Landschaft, in die von Büschen und Dornen zugewucherten Schluchten, und tief unter ihm lag das Meer. Hier wohl fand er, was er gesucht hatte, die Unberührtheit der elementaren Natur. Hier war das Geheimnis, dem er malend nachspüren wollte, hier der Ort wo er Eins sein konnte mit der Natur und der Malerei.

 

Angelica Bäumer ist Kulturjournalistin, Autorin und Ausstellungsmacherin.

 

Zum Text von Lisbeth Zwerger

 

 

 

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